Vom Bordradio des Nachbarbootes plärren spanische Schlagerklänge, müde kreischen einige Möven und von der kleinen Bootswerft nebenan klingen vereinzelt helle Klänge von den Werkzeugen der Bootsmechaniker. Die Sonne knallt vom Dezemberhimmel und eine mäßige Brise aus dem Norden lässt hunderte Bootsstaagen sehr leise, aber konstant heulen, was das Hafenkonzert an diesem lauen Nachmittag im Sportboot-
hafen von Las Palmas de Gran Canaria vollendet.
Sportboothafen von Las Palmas de Gran Canaria |
Die
„Mystique“, das Segelboot, das mich auf meinem Weg per Anhalter über den
Atlantik von Gibraltar nach Gran Canaria gebracht hat, hat während des Törns
ganze Arbeit geleistet und sich deshalb ein wenig Pflege verdient. Während also
Randy hoch oben im Mast die Blessuren, die seine Positionslichter auf der
Überfahrt erlitten haben, verarztet, poliere ich sämtliche Chromteile an Deck.
Das ist nicht nur aus kosmetischer Sicht notwendig: Das Salzwasser greift den
Stahl sehr stark an und nach einer längeren Fahrt, wie der letzten, bildet sich
sofort eine leichte Rostschicht. Ich genieße diese gemütliche Arbeit, schenkt
sie doch auch mir ein wenig Erholung von den Anstrengungen unserer fünftägigen
Seefahrt bis hierher.
Ab und an
winke ich dem Italiener von nebenan zu und bedanke mich auf Spanisch für seine
Musikauswahl, mit deren Lautstärke er unser ganzes Dock beglückt. Er spricht
zwar kein Spanisch, aber er scheint mein „gracias por la musica“ zu verstehen,
denn er dreht noch einmal lauter. Mich stört es nicht, und es gäbe überhaupt
kaum etwas, was mich an diesem Nachmittag stören könnte: Heute morgen erreichte
mich die E-Mail von Phil, einem deutschen Kapitän, der gerade mit seinem Boot
vor Fuerteventura liegt und demnächst Richtung Kapverdische Inseln ablegen
möchte. Nächste Woche würde bei ihm eine Koje frei, das könne dann meine sein.
Klar sagte ich zu! Ich bin ziemlich glücklich darüber, denn das schwarze Brett
im Hafen von Gran Canaria ist randvoll mit Zetteln von Leuten wie mir,
Anhaltern auf dem Ozean auf der Suche nach dem nächsten Boot.
Während ich
poliere, kommt immer wieder jemand vorbei: „Suchst du noch Crew?“, tönt es auch
gerne mal mehrstimmig durch den Zaun auf das Dock. Eine Ungarin wird schon seit
Tagen nicht müde mit ihren Versuchen, die Kapitäne zu überreden, sie
mitzunehmen, eine Französin versucht, sie mit ihrem Flötenspiel zu
beeindrucken. Ein weiterer Italiener wirbt mit seinen Kochkünsten. Daniel, so
sein Name, wird in den nächsten Tagen sein Boot Richtung Karibik finden. Chris
dagegen, ein Engländer von etwa vierzig Jahren, hatte bislang weniger Glück,
obwohl er eine Menge Erfahrung auf Segelbooten hat. „Jetzt bin ich schon vier
Wochen in Las Palmas und langsam bin nervt mich die Warterei“, klagt er sein
Leid. Ich schaue mir das Treiben an, versuche, meine Tramperkollegen mit meiner
Geschichte zu motivieren und freue mich, erst einmal keine Sorgen mehr darüber
haben zu müssen, wie ich weiter komme.
Käpt’n Randy im Mast |
Es ist genau
die richige Jahreszeit, über den Ozean zu segeln, das wissen auch die Anhalter.
Die Hurrican-Saison ist vorbei und der Passatwind bläst zuverlässig aus
Nordosten. Viele Fahrtensegler wollen im Dezember starten, entweder, um
Weihnachten in der Karibik zu verbringen oder aber, um pünktlich zum Karneval
in Brasilien anzukommen. Vor kurzem sind von Las Palmas aus hunderte Segelboote
mit der größten Ozeanralley für Amateursegler, der „Atlantic Ralley for
Cruisers“ mit dem Ziel Saint Lucia in See gestochen. Ab und an laufen tief
betrübte Kapitäne mit ihren traurigen Crews und beschädigten Booten in den
Hafen ein und suchen Trost bei anderen Segelfreunden.
Den finden
sie abends vor allem in der „Sailors Bar“, einer urigen Hafenkneipe direkt an
der Kaimauer. Hier beratschlagen sich die Segler aus dem Hafen über optimale
Routen über die Meere und Ozeane, die Aufbewahrung von frischen Obst und Gemüse
und vor allem geben sie sich Tipps für die verschiedensten Reparaturen an Bord.
Randy sitzt schon eine Weile hier, als ich das Polieren nach Sonnenuntergang
aufgegeben habe und ebenfalls dort eintrudle. Er hält ein Bier in der Hand und
unterhält sich mit Mike, einem amerikanischen Seebären alter Schule. Weißer
Rauschebart, silberner Pferdezopf und braune, wettergegerbte Haut, auch die
Tätowierungen auf den Unterarmen fehlen nicht. Die beiden sind in ihr Gespräch
über vergangene und zukünftige Ozeanüberquerungen vertieft. Mike ist seit 25
Jahren auf einem nur sieben Meter großen Holzboot unterwegs und hat es in
dieser Zeit auf beeindruckende 18 Atlantiküberquerungen gebracht.
„Atlantiküberquerungen sind im Passatwind eigentlich ein Kinderspiel“, sagt er, „der Törn hier herunter von Spanien aus kann viel kabbeliger werden“. Er muss es ja wissen, denke ich, und auch Randy ist seiner Meinung. Überhaupt ist das Gespräch der beiden eine einzige Schwärmerei vom Leben auf dem Ozean. „Bislang war ich jedes Mal traurig, wenn ich wieder in die Nähe des Schmutzes kam“, wobei er mit „Schmutz“ wohl das Land meint. „Ich habe sogar schon Reffs ins Segel gemacht, nur um länger auf See zu sein!“. Mike bestellt sich noch ein großes Glas Congnac und ein „Tropical“, das kanarische Bier, für Randy. Die beiden Seefahrer werden noch lange diskutieren heute Nacht. Ich dagegen verabschiede mich, um gemächlich „nach Hause“, also zurück an Bord der „Mystique“, zu schlendern.
„Atlantiküberquerungen sind im Passatwind eigentlich ein Kinderspiel“, sagt er, „der Törn hier herunter von Spanien aus kann viel kabbeliger werden“. Er muss es ja wissen, denke ich, und auch Randy ist seiner Meinung. Überhaupt ist das Gespräch der beiden eine einzige Schwärmerei vom Leben auf dem Ozean. „Bislang war ich jedes Mal traurig, wenn ich wieder in die Nähe des Schmutzes kam“, wobei er mit „Schmutz“ wohl das Land meint. „Ich habe sogar schon Reffs ins Segel gemacht, nur um länger auf See zu sein!“. Mike bestellt sich noch ein großes Glas Congnac und ein „Tropical“, das kanarische Bier, für Randy. Die beiden Seefahrer werden noch lange diskutieren heute Nacht. Ich dagegen verabschiede mich, um gemächlich „nach Hause“, also zurück an Bord der „Mystique“, zu schlendern.
Der Hafen von Las Palmas de Gran Canaria in der Abenddämmerung, GC 2008 |
Ich bin
müde, aber sehr zufrieden mit mir und der Welt um mich herum. Die Klänge der
Musik aus der „Sailors Bar“ werden hinter mir langsam leiser in dieser klaren
Nacht. Die Sterne funkeln am Himmel und es sind kaum noch Geräusche zu hören.
Die Bootsmechaniker haben längst Feierabend, und wer nicht, wie Randy und Mike,
in der Sailors Bar sitzt und den Tag ausklingen lässt, liegt längst in seiner
Koje. Die Temperaturen sind merklich abgekühlt, zum Glück ist auch der Wind
fast eingeschlafen. Und so ist das Plätschern des Wassers am Rumpf der
„Mystique“ für mich der letzte Klang meines kleinen Adventskonzerts von Las
Palmas de Gran Canaria.